Prinzhorn, Hans
Nachname:
Prinzhorn
Vorname:
Hans
Epoche:
20. Jahrhundert
Arbeitsgebiet:
Psychiatrie
Kunst
Geburtsort:
Hemer (DEU)
* 06.06.1886
† 14.06.1933
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Deutscher Psychiater und Kunsthistoriker.

 

Hans Prinzhorn (1886-1933) wurde in Hemer (Westfalen) geboren. Er lebte mit seinen Eltern und vier Geschwistern in Wien und studierte Philosophie, Psychologie und Kunstgeschichte. Nachdem er 1909 mit einer Arbeit über Gottfried Sempers ästhetische Grundanschauungen promoviert wurde, zog er für eine Gesangsausbildung nach London. Zwischen 1913 und 1917 studierte er in Freiburg Medizin (Röske 1997, S. 255 ff.; Prinzhorn 1922).

 

Bildnerei der Geisteskranken

1917 wurde Prinzhorn Assistent von Karl Wilmanns an der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Dort begann er seine charakterologischen Analysen des Kunstschaffens von psychiatrischen Patienten. Der ehemalige Direktor Emil Kraepelin sowie Wilmanns hatten bereits 127 Objekte zusammengetragen und Prinzhorn sammelte über einen Aufruf an alle deutschen Kliniken weiteres Material. Prinzhorn (1922, S. III) ging es dabei um spontan entstandene, unverfälschte Bilder, Skulpturen, Textilien, Texte und Collagen. Nebenher legte er sein zweites Doktorat in Medizin ab. Innerhalb von nur drei Jahren erfasste und archivierte Prinzhorn über 5.000 Objekte und publizierte die Ergebnisse 1922 in seinem Werk Bildnerei der Geisteskranken. Er lehnte merkmalsorientierte Bewertungen ab und akzeptierte jedes einzelne Objekt als Ausdruck einer individuellen und doch klar zustandsgebundenen, „ursprünglichen“ Gestaltungskraft (Röske 1997, S. 257 ff.; Prinzhorn 1922, S. 346 f.). Das reich ausgestattete Buch machte diese Art von Kunst erstmals in Deutschland bekannt und beeinflusste etwa Alfred Kubin, Paul Klee oder Max Ernst.

 

Konservative Kulturkritik

Prinzhorn verließ die Heidelberger Klinik 1921, ging unter anderem an die Züricher Universitätsklinik, ließ sich 1925 als Psychotherapeut in Frankfurt am Main nieder und veröffentlichte 1926 ein Buch über die Bildnerei der Gefangenen. In der Abhandlung Psychotherapie von 1929 verwarf er mit typisch konservativer Geste jedwede „kapitalistische, marxistische oder nationalistische Ideologie“ (S. 316), bekannte sich aber zwischen 1930 und 1932 in mehreren Aufsätzen zum Nationalsozialismus (vgl. Großheim 2002, S. 203). Er lebte inzwischen in München und war als Vortragender und Publizist bekannt geworden, hatte aber weder eine feste Partnerschaft noch eine Anstellung. 1933 starb Hans Prinzhorn im Alter von 47 Jahren in München an den Folgen einer Typhus-Erkrankung.

 

Literatur

Ankele, M. (2009): Alltag und Aneignung in Psychiatrien um 1900. Selbstzeugnisse von Frauen aus der Sammlung Prinzhorn. Wien: Böhlau.

Brand-Claussen, B. (1997): Das Museum für pathologische Kunst in Heidelberg. Von den Anfängen bis 1945. In: Kulturhistorisches Museum (Hg.): Wahnsinnige Schönheit. Prinzhorn-Sammlung, Ausstellungskatalog Osnabrück. Heidelberg: Wunderhorn, S. 6-23.

Brand-Claussen, B., T. Röske, M. Rotzoll (2002): Todesursache: Euthanasie. Verdeckte Morde in der NS-Zeit. 2., erweiterte Auflage. Heidelberg: Wunderhorn 2012.

Brand-Claussen, B., E. Stephan (2002, Hg.): Sammlung Prinzhorn. Wunderhülsen und Willenskurven. Bücher, Hefte und Kalendarien. (Ausstellungskatalog). Heidelberg, Jena: Sammlung Prinzhorn.

Brand-Claussen, B., T. Röske (2008, Hg.): Künstler in der Irre. Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg. Heidelberg: Wunderhorn.

Fuchs, T., I. Jádi, B. Brand-Claussen, C. Mundt (2002, Hg.): Wahn Welt Bild. Die Sammlung Prinzhorn. Beiträge zur Museumseröffnung. (Heidelberger Jahrbücher, Bd. 46). Berlin, Heidelberg, New York: Springer.

Großheim, M.: Politischer Existentialismus. (Philosophische Untersuchungen, Bd. 9). Tübingen: Mohr Siebeck.

Jádi, I. (1985, Hg.): Leb wohl sagt mein Genie. Ordugele muß sein. Texte aus der Prinzhorn-Sammlung. Heidelberg: Wunderhorn.

Jagfeld, M. (2008): Outside in. Zeitgeschehen in Werken der Sammlung Prinzhorn am Beispiel Rudolf Heinrichshofen. Weimar: VDG.

Mirbach, W. (2003): Psychologie und Psychotherapie im Leben und Werk Hans Prinzhorns 1886-1933. Frankfurt: Lang.

Prange, P. (2001): Prinzhorn, Hans. In: Historische Kommission (Hg.): Neue Deutsche Biographie, 20. Bd. Berlin: Duncker & Humblot, S. 730-731.

Prinzhorn, H. (1909): Gottfried Sempers ästhetische Grundanschauungen. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 4, (2), S. 210-267.

Prinzhorn, H. (1919): Das bildnerische Schaffen der Geisteskranken. In: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 52, (1), S. 307-326.

Prinzhorn, H. (1922): Bildnerei der Geisteskranken. Ein Beitrag zur Psychologie und Psychotherapie der Gestaltung. Berlin: Springer.

Prinzhorn, H. (1926): Bildnerei der Gefangenen. Studie zur bildnerischen Gestaltung Ungeübter. Berlin: Juncker.

Prinzhorn, H. (1924): Geltungsbedürfnis – Geltungspflicht. Studien zur Gemeinschaftsbildung. In: Der neue Merkur 7, (2), (1924), S. 907-915.

Prinzhorn, H. (1926): Gespräch über Psychoanalyse. Zwischen Frau, Dichter und Arzt. Heidelberg: Kampmann.

Prinzhorn, H. (1929): Psychotherapie. Voraussetzungen. Wesen. Grenzen. Ein Versuch zur Klärung der Grundlagen. Leipzig: Thieme.

Prinzhorn, H. (1930): Über den Nationalsozialismus. In: Der Ring 3, S. 884-885.

Prinzhorn, H. (1932): Persönlichkeitspsychologie. Entwurf einer biozentrischen Wirklichkeitslehre vom Menschen. Leipzig: Quelle & Meyer.

Prinzhorn, H. (1932): Gemeinschaft und Führertum. Ansatz zu einer biozentrischen Gemeinschaftstheorie. In: H. Prinzhorn (Hg.): Die Wissenschaft am Scheidewege von Leben und Geist. Festschrift. Ludwig Klages zum 60. Geburtstag 10. Dez. 1932. Leipzig: Barth, S. 179-189.

Röske, T. (1995): Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn 1886-1933. Bielefeld: Aisthesis.

Röske, T. (1997): Schizophrenie und Kulturkritik. Eine kritische Lektüre von Hans Prinzhorns „Bildnerei der Geisteskranken“. In: I. Brugger, P. Gorsen, K. A. Schröder (Hg.): Kunst & Wahn. Wien: Dumont, S. 254-265.

Röske, T. (2001): Hans Prinzhorn, Arzt und Kunsthistoriker. In: Vernissage 9, (7), S. 48-51.

Röske, T. (2002): Hans Prinzhorn – ein „Sinnender“ in der Weimarer Republik. In: T. Fuchs, I. Jádi, B. Brand-Claussen, C. Mundt (2002, Hg.): Wahn Welt Bild. Die Sammlung Prinzhorn. Beiträge zur Museumseröffnung. (Heidelberger Jahrbücher, Bd. 46). Berlin, Heidelberg, New York: Springer, S. 31-39.

Röske, T., B. Brand-Claussen (2006): Air loom. Der Luft-Webstuhl und andere gefährliche Beeinflussungsapparate. Ausstellungskatalog Sammlung Prinzhorn Heidelberg. Heidelberg: Wunderhorn.

 

Robin Pape, Burkhart Brückner

 

Foto: Unbekannt / Quelle: Wikimedia / gemeinfrei [public domain].

 

Zitierweise
Robin Pape, Burkhart Brückner (2015): Prinzhorn, Hans.
In: Biographisches Archiv der Psychiatrie.
URL: www.biapsy.de/index.php/de/9-biographien-a-z/126-prinzhorn-hans
(Stand vom:13.11.2024)